Warum macht Nikotin so rasch abhängig?
Nikotin ist eine stark süchtig machende Substanz. Nach jedem Zug erreicht es das Gehirn innerhalb von 10 bis 20 Sekunden.1 Im Gehirn bindet das Nikotin an sogenannte Rezeptoren. Diese Bindung wirkt sich auf dein Belohnungssystem aus. Es setzt Botenstoffe wie Dopamin und Serotonin frei, welche dich Gefühle wie Vergnügen, Belohnung und Entspannung fühlen lassen.
Die Zahl der Nikotinrezeptoren nimmt mit der Zeit zu. Diese Rezeptoren wollen ihre Funktion wahrnehmen und lösen Entzugssymptome aus, wenn sie dies nicht können. Rauchende werden also abhängig, weil sie die Entzugssymptome des Rauchens vermeiden wollen.
Wieviel Nikotin ist in einer Zigarette?
Eine Zigarette enthält rund 10 mg Nikotin. Davon nimmt der menschliche Körper ungefähr 1 bis 1,4 mg Nikotin auf. Dies sind 20 bis 30 mg pro Tag (bei einer Packung täglich, unabhängig vom Nikotingehalt, den der Hersteller angibt).2
Der Spitzenwert des Nikotins einer Zigarette im Blut beträgt nach 5 Minuten rund 12 mg/ml. Bei Kettenrauchenden führt der Tabakkonsum im Laufe des Vormittags zu einer stetigen Erhöhung der Nikotinkonzentration im Blut, was sich ab dem Nachmittag (je nach Zigarette) bei etwa 20 bis 35 mg/ml einpendelt. Bei einer Halbwertszeit von 2 Stunden sinkt der Nikotinspiegel nachts wieder ab (sofern nicht geraucht wird). Er erreicht kurz vor dem Aufstehen am Morgen den tiefsten Stand.
Die Entzugssymptome
Die Entzugserscheinungen treten nach weniger als 24 Stunden auf und erreichen ihren Höhepunkt nach 3 Tagen. In den darauffolgenden 2–4 Wochen lassen sie allmählich nach.
Das sind die häufigsten Entzugserscheinungen:
Craving
Das unwiderstehliche Rauchverlangen, das dich von einem Moment auf den anderen überfallen kann, nennt sich Craving. Es ist ein subjektiver, motivationaler Zustand, der den Impuls beinhaltet, eine Zigarette zu zücken und sie zwanghaft zu konsumieren. Craving ist ein wesentlicher Faktor, warum es so schwierig ist, mit dem Rauchen aufzuhören.
Dauer: rund 3–5 Minuten
Ursachen/Auslöser: Priming (Einatmen von Rauch), Rauchgewohnheiten, Stress, depressive Verstimmung, visuelle Reize
Was du tun kannst: Craving Anfälle vergehen meist so rasch wieder, wie sie auftreten: Nach 3–5 Minuten ist der Spuk oft schon vorbei. Bleibe also beharrlich und lenk dich ab. Hast du deinen Notfallplan bei dir?
Schwindel und Kopfschmerzen
Dauer: Schwindel meist nur 1–2 Tage, Kopfschmerzen können unterschiedlich sein
Ursachen/Auslöser: Nikotinmangel
Was du tun kannst: Trink viel Wasser. Eine bewusste Ernährung (z.B. Vitamine und Nüsse), regelmässige Bewegung und ein gesunder Schlaf können bei Schwindel und Kopfschmerzen helfen.
Bei längeren oder wiederkehrenden Kopfschmerzen: Sprich mit einer ärztlichen Fachperson. Möglicherweise könnten Nikotinersatzprodukte oder Medikamente eine Lösung für dich sein.
Konzentrationsschwierigkeiten und Müdigkeit
Dauer: 2–4 Wochen (Konzentrationsschwierigkeiten insbesondere in den ersten 2 Wochen)
Ursachen/Auslöser: Nikotinmangel
Was du tun kannst: Es gibt Medikamente, die dein Gehirn täuschen, indem sie die Nikotinpräsenz nachahmen – lass dich von einer ärztlichen Fachperson beraten.
Kurzfristig kann es auch helfen, zuckerfreie Kaugummis zu kauen oder schnelle Musik zu hören.
Was weiter hilft: Verbessere deinen Schlaf, indem du dich vor Lärm oder Lichteinfluss schützt. Meide Koffein (besonders abends) und Alkohol. Und wenn du Medikamente nimmst, die dich müde machen, frage deine ärztliche Fachperson, ob du sie am Abend nehmen kannst.
Schlechte Laune, Reizbarkeit, Nervosität und Stress
Dauer: variabel
Ursachen/Auslöser: Nikotinmangel bringt die Stimmungsregulation aus dem Gleichgewicht
Was du tun kannst: Treibe Sport, um dich abzureagieren. Beschäftige dich und plane vorausschauend, um Stress zu vermeiden. Gehe früh schlafen, um nicht zusätzlich wegen Müdigkeit gereizt zu sein. Mache die Dinge im Leben, die dir Freude machen. Triff dich mit jemandem. Gönn dir etwas. Auch ein Nikotinersatzprodukt kann helfen, dass du dich weniger gereizt fühlst.
Angst, Niedergeschlagenheit und Depression
Dauer: variabel
Ursachen/Auslöser: Nikotinmangel oder Substanzen, die auf die Psyche einwirken können (z.B. Cannabis)
Was du tun kannst: Sprich über deine Gefühle. Sag «nein», wenn du etwas nicht willst oder dich etwas überfordert. Achte auf deine Atmung und fokussiere dich auf das Hier und Jetzt. Manchmal können Stimmungsschwankungen auch mit der Dosierung des Nikotinpflasters oder des Nikotinkaugummis reguliert werden. Änderungen bei der Dosierung solltest du aber unbedingt mit deiner ärztlichen oder psychologischen Fachperson besprechen.
Achtung: Wenn deine Ängste regelmässig auftreten, ist es sehr wichtig, die Ursachen mit Hilfe einer psychologischen Fachperson anzugehen.
Schlaflosigkeit
Dauer: weniger als 7 Tage
Ursachen/Auslöser: Nikotinmangel
Was du tun kannst: Grundsätzlich alles, was auch sonst bei Schlaflosigkeit hilft. Meide Koffein am Abend oder späteren Nachmittag. Lies ein Buch vor dem Schlafengehen, statt in einen Bildschirm zu starren. Gehe zeitig schlafen und gönne deinem Körper genügend Zeit für die Erholung. Auch ein 24-Stunden Nikotinpflaster kann dir helfen – sprich am besten mit deinem Arzt oder deiner Ärztin darüber.
Husten
Dauer: weniger als 7 Tage
Ursachen/Auslöser: Teer in der Lunge
Was du tun kannst: Deine Lunge versucht, den festsitzenden Teer auf den Flimmerhärchen in deiner Lunge loszuwerden. Das ist ein gesunder Prozess, du darfst deinen Körper also einfach machen lassen: Huste so viel Teer aus wie möglich.
Hunger
Dauer: einige Wochen
Ursachen/Auslöser: Nikotin als Kalorienverbrenner fällt weg
Was du tun kannst: Achte auf eine ausgewogene Ernährung, iss viel Gemüse und gesunde Snacks. Und denk daran, dich regelmässig zu bewegen. Eine Ernährungsberatung kann dich auf diesem Weg wunderbar unterstützen.
Verstopfung
Dauer: 3–4 Wochen
Ursachen/Auslöser: Nikotinmangel, Stress
Was du tun kannst: Auch dein Verdauungstrakt muss sich erst an das Fehlen des Nikotins gewöhnen. Das kann bedeuten, dass du mit Verdauungsschwierigkeiten im Dünn- und Dickdarm zu kämpfen hast. Auch psychischer Stress kann zu psychosomatischer Verstopfung führen.
Tue deinem Verdauungssystem etwas Gutes und achte auf eine ausgewogene Ernährung. Auch hier ist es dienlich, viel Wasser zu trinken.
Rasche Hilfe: Ablenkungsstrategien bei Craving
Craving kann sehr plötzlich eintreten, darum muss auch die Ablenkung schnell gehen. Mach es dir einfach und schaffe dir eine Fülle an immer verfügbaren Ablenkungsstrategien. Vermeide Ablenkungstechniken, die eine Vorbereitung benötigen. Mögliche Ablenkungsstrategien können sein:
Mit dem Mund
- Kaue Kaugummi. Oder eine Süssholzstange.
- Trink Wasser oder Fruchtsaft.
- Iss Früchte oder Trockenfrüchte.
- Putze deine Zähne.
- Lass eine Nikotintablette auf der Zunge zergehen.
Mit dem Kopf
- Zücke deinen Notfallplan.
- Wiederhole positive Sätze.
- Löse ein Sudoku oder ein Kreuzworträtsel.
- Schaue in den Spiegel und erinnere dich an deine Rauchstopp-Motivation – du hast noch deine Liste?
- Träume dich an einen idyllischen Ort.
Mit den Händen
- Wasche deine Hände.
- Trage eine duftende Handcreme auf.
- Spiel mit einem Stressball oder Kugelschreiber – was du grad zur Hand hast.
- Mach sauber.
Mit dem Körper
- Steh auf, streck dich, mach eine Pause vom aktuellen Ort oder der aktuellen Aktivität.
- Lust auf Sport?
- Oder auf einen Spaziergang?
- Atme tief ein und aus.
Tipp: Kennst du diese Atemübung? Sie wird zur Stressbewältigung empfohlen, denn die entspannende Bauchatmung hilft, das Gehirn mit Sauerstoff zu versorgen und dich zu entspannen. So geht’s:
- Atme tief ein und fülle deine Lungen mit Luft.
- Halte den Atem für 3–4 Sekunden an.
- Atme ganz langsam und bewusst aus.
- Wiederhole das Ganze dreimal.
Weitere Informationen zur Achtsamkeitsmeditation
Mit anderen Personen
- Kontaktiere eine Vertrauensperson.
- Plaudere mit Arbeitskolleg:innen.
- Tausch dich mit anderen (Ex-)Rauchenden aus.
- Lies die Erfahrungsberichte von anderen.
Literatur
- Le Houezec, J. (2003). Role of nicotine pharmacokinetics in nicotine addiction and nicotine replacement therapy: a review. The International Journal of Tuberculosis and Lung Disease, 7(9), 811-819.
- Jarvis, M. J., Boreham, R., Primatesta, P., Feyerabend, C., & Bryant, A. (2001). Nicotine yield from machine-smoked cigarettes and nicotine intakes in smokers: evidence from a representative population survey. Journal of the National Cancer Institute, 93(2), 134-138
- Benowitz, N. L. (2010). Nicotine addiction. New England Journal of Medicine, 362(24), 2295-2303.